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Liebe Michelle

  • Vera Rieger
  • 15. Juli 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Was für ein merkwürdiger Tag. Das Erste, was mir heute gleich nach dem Aufwachen vor die Augen gehalten wurde, war ein Video, in dem Trump angeschossen wird. Und morgen fliegen wir nach New York. Das ist gerade sehr absurd, auch wenn ich das Ausmass dieses Ereignisses auf die Bevölkerung und die Stimmung im Land noch nicht ganz einschätzen kann. New York ist da wahrscheinlich nochmals anders. 

 

Ganz ehrlich, wo sind die Zeiten hin, als es im Journalismus noch das Sommerloch gab? Ein paar semi-lustige "Welcher Strandtyp bist du?"- Umfragen, viele Büchertipps und Meldungen über ausgebrochene Wildschweine aus dem Zoo oder vermeindlich gesichtete Alligatoren in Schweizer Seen. Im Moment scheint mir, dass uns täglich irgendwelche krasse News um die Ohren geworfen werden.

 

Zu schöneren Dinge: Ich habe mich sehr gefreut, dass du das Taylor Swift Konzert so geniessen konntest. Mein Highlight letzte Woche war mein erstes Rugbyturnier - ein Rugbyfest in St. Gallen mit Camping im freundschaftlichen Rahmen, de fakto ging es um Nichts. Ausser um Biertrinken vielleicht, neben dem Turniersieger wurde nämlich auch ein Team als drinking winner ausgezeichenet. Für jedes Bier gab es an der Bar einen Strich. Ich möchte diese Saufkultur hier nicht verteufeln, auch wenn mich das etwas skeptisch stimmt. Lustigerweise hatte ich überhaupt keine Lust zu trinken aus einem einfachen Grund: Ich wollte gewinnen. Ich habe gemerkt, dass es mir schwer fällt Sport und Partymachen so nahe beieinander zu denken. Dafür bin ich zu ambitioniert. Obwohl ich noch kompletter Newby bin, kommt es mir zugute, dass ich relativ schnelle Beine habe, da ich in frühen Jahren viel Zeit mit Laufübungen verbrachte. Bälle fangen kann ich auch gut. Viel mehr noch nicht. Deswegen habe ich den Ehrgeiz, so schnell wie möglich in der ersten Mannschaft unseres Vereins als Stammspielerin zu spielen. (Es gibt zwei, die zweite Liga ist aber sehr spärlich besetzt, wirklich mehr Plauschcharakter). 

 

Die Party am ersten Abend genoss ich trotz tiefem Pegel in vollen Zügen. Wir waren alle im Piraten-Motto verkleidet - ich ging als Papagei. So tanzte ich barfuss auf dem nassen Boden im Festzelt, mit Tütü und selbstgebasteltem Federkleid, zu sehr gut gemixten 80er- und Bravohits. Die Federn hatte ich bald einmal weggeshaket. Meine Stimmte wurde auch ziemlich strapaziert. Zwischenzeitlich surfte ich auf einer single line, bei der Menschen am Boden sassen oder flog auf den Schultern meiner Mitspielerin. Um uns herum waren Rugbyspieler:innen von nah und ferner. Das eine Männerteam kam einfach auch Salerno (unterhalb von Napoli). Diese Welt ist schon etwas verrückt. Ich schreibe dir das so genau davon, da ich auch zugeben muss, dass diese Dorffest-Vibe-Parties oft besser sind als Clubnächte. Als Vergleich dazu war ich gestern an einer Dayrave auf einem Schiff. Die Stimmung war schön, Sonnenuntergang über dem Rhein, sehr instagramable. Wir hatten eine gute Zeit, aber wie bitte tanzt man zu so weichem Techno? Ich habe keine Ahnung, diese Musik ist für mich nicht tanzbar. Eine Freundin meinte, es ginge nur ums "Sehen und gesehen werden", das wurde dann zum running gag, aber ich kannte leider niemanden, um gesehen zu werden. Diese Menschen wenden so viel Kraft auf, um cool zu sein, dass wenig bleibt, um Spass zu haben. 

 

Letzte Woche war ich noch am Geburtstag einer Freundes in Zürich, dem ehemaligen Mitbewohner von F. Letztes Jahr feierte er seinen Geburtstag an der genau gleichen location, was mich darüber nachdenken liess, was in einem Jahr alles so passiert ist. Zudem traf ich spontan die Zwillingsschwester meiner ehemaligen Mitbewohnerin. Ich habe sie seit meinem Auszug nicht mehr gesehen und schon lange keine so schöne Umarmung mehr erleben dürfen. (Sie ist auch Italienerin, da ist das Umarmungs-Gen besser vertreten). An dem Fest waren alles Leute, die jetzt voll im Arbeitsleben stehen oder PhD machen. Wir redeten darüber, dass auch ein Traum-PhD nicht immer das ist, was man sich darunter vorgestellt hatte, eine andere Bekannte mit ETH-Abschluss bezeichnete ihren jetzigen gutbezahlten Job als "sold my soul to corporate". Mitte Zwanzig und Ernüchterung gehen oft Hand in Hand, aber das ist auch okay, uns bleibt schliesslich noch so viel Zeit. 

Im letzten halben Jahr hatte ich ja oft starke WG-Nostalgie, jetzt nicht mehr so. Aber es ist schön zu wissen, dass ich noch Menschen in dieser Stadt habe, dass ich Spuren hinterlassen habe, Freundschaften geschlossen, die hoffentlich bleiben. 

 

An dieser Stelle möchte ich noch einen kurzen Shout Out an unsere treusten Leser:innen aussprechen. Ihr wisst, wer ihr seid ;) Es bedeutet uns wirklich sehr viel, dass ihr uns wöchentlich ein bisschen von eurer wertvollen Zeit schenkt und es ist eine grosse Motivation, dieses kleine Projektchen weiterzumachen.  

 

Heute Abend ist noch EM-Final, der ist mir irgendwie egal. Das Fussballfieber ist verflogen seit die Schweiz und alle Nachbarländer raus sind. Lamine Yamal aber schon sehr crazy. Weisst du, ich hätte es den Franzosen einfach so gegönnt. Stell dir vor, linker Wahlsieg und dann EM-Titel am Nationalfeiertag. Besser hätte es nicht sein können. Gestern sahen wir noch das Feuerwerk von der anderen Seite des Rheins. Heute ist einfach ein seltsamer Tag. 

 

Okay, das war jetzt etwas verwirrend. Wie gesagt, fliege ich morgen nach New York, um nach einer Woche Sightseeing zum besten Freund von F. zu fahren, der in Indianapolis heiraten wird. Der Dresscode lautet something you never had the courage to wear. Ich habe kein solches Kleidungsstück, aber noch ein bisschen Verkleidungsmaterial von meiner Bacheloraufführung gefunden. Je nach dem, wie gut es herauskommt, werde ich hier ein Foto davon teilen. Ich freue mich schon riesig darauf, dir von vielen Erlebnissen in NYC zu erzählen und später dann auch von diesem aussergewöhnlichen Fest. 

 

Ich möchte übrigens noch eine neue Kategorie einführen und zwar das WORT DER WOCHE, schön oder? Als Abschluss unserer Kategorien. 

 

Etwas zum Glotzen: Shannen Doherty ist heute verstorben, sie ist bekannt aus der Serie Beverly Hills 90021 (Die Zahlen stimmen nicht, aber habe gerade keine Lust, sie zu googeln). Diese Serie habe ich als Teenager durchgesuchtet. Sie spielt dort das good girl, welches den bad boy datet und war immer mein Liebling. Der bad boy ist sehr hot. (Also alle sind hot) Es ist gute Ferienunterhaltung, viel Drama, viel rich kids, Sonne, Meer und so. 

·       Wir verpassen die Stand Up Comedian Zarna Garg um einen Tag. Ihr Special ist glaub auf Prime, das konnte ich mir nicht ganz ansehen, aber gönn dir auch schon nur eine kleine Prise. 

·       Feuerwerk. 

 

Etwas zum Lesen: Leider bin ich nicht in der NZZ (omg, ich bin sehr stolz auf dich) und bei meinem 800 Seiten Sommerroman noch nicht viel weiter. Dafür drei Glotztipps. 

 

Etwas zum Hören: Heute war Packen angesagt :( Den Fehler gemacht, zu viel Zeit zum Packen einzurechnen, das sollte man niemals tun. Aber ich habe ein Packalbum und zwar Made in Heaven von Queen. 

 

Etwas zum Essen: Kein Hummus, in letzter Zeit zu viel Hummus gegessen. Eiskaffe zum Trinken. 

 

Wort der Woche: Sommersex. 

 

Alles Liebe und bis bald 

 

Vera 

 

PS: Jetzt ist gerade der 15 of jul, der Tag von "one day" angebrochen.

 
 
 

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