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Liebe Michelle

  • Vera Rieger
  • 3. Aug. 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Ich sitze gerade in einem klitzekleinen Air-BnB Zimmer in Chicago. Chicago Baby. Das Zimmer besteht aus einem Bett und daneben etwa einem Meter Platz bis zur Wand. Aber es hat einen sehr süss eingerichteten Gemeinschaftsbreich, den wir mit zwei anderen Gästen teilen. Diese Stadt ist mega schön, aber wir sind hier mehr am entspannen.  Es ist 16:00 und ich habe heute noch nichts gemacht ausser dem amerikanischen Turnerinnenteam bei ihrem Teamsieg zugeschaut. Simone Biles ist unumstritten der amerikanische Roger Federer (einfach in cool), sie kommt in jeder Werbung vor. In den letzten zwei Wochen ist so viel passiert, dass ich nicht weiss, wo ich beginnen soll.  Seit zwei Wochen bin ich in den USA, erst waren wir eine Woche in New York und dann eine Woche im Midwest in Indianapolis. Dort haben wir mit einigen anderen Angereisten Zeit in einem Air-BnB verbracht. Diese vielen Eindrücke hier zu verarbeiten fällt mir schwer, da ich so viel gesehen, gedacht, gefühlt, gelacht habe. Deswegen muss ich irgendeine Form für diesen Blogeintrag finden. Ich nenne es the full american experience: 20 Dinge, die ich in meinem Leben zum ersten Mal gemacht habe.


  1. Ich war auf dem afrikanischen Kontinent. Da unser Easy-Jet Flug nach London Verspätung hatte, haben wir den Anschluss verpasst. Da es eine andere Airline war, mussten wir einen komplett neuen Flug buchen.  Der günstigste ging über Casablanca. Here's looking at you kid. (War die Reaktion meines Vaters, ich habe es nicht verstanden und musste googeln.)


2. Ich war in New York. Jetzt darf ich meinen Lieblingssong von Udo Jürgens wohl nicht mehr singen.


3. Ich habe 22 Dollar für einen Hot Dog bezahlt. Okay, er hatte Kaviar drauf und die Lippenstiftüberresten auf dem Plastikbecher bekamen wir gratis dazu. (Und die Aussichts aufs Empire State Building)


4. Ich habe stand up comedy live gesehen. Wir waren zwei Mal im New York Comedy Club, das erste Mal hatte ich so viel gelacht wie noch nie und das zweite Mal wollte ich herauslaufen. Aber dabei habe ich mich auch...


5. ...das erste Mal wie ein richtiges "white girl" gefühlt, da ich von zwei verschiedenen comics als repräsentatives Beispiel benutzt wurde. (am ersten Abend, waren gute Witze)


6. Eine Broadway Show besucht. The book of Mormon war der Hit, du kennst die Show ja. Lustigerweise trafen wir in der Woche danach in Indianapolis einen Cousin von F.'s bestem Freund (dem Grund für die Reise), welcher selbst aus Utah (ausgesprochen: iuthoo) kommt und mit vielen Mormonen zu tun hat. Er kommt zwar nicht aus Salt Lake City, aber aus Park City, das soll sehr reich sein. Er war sehr autobegeistert und ist dem amerikanischen Stereotyp erstaunlich nahe gekommen. Leider fand er unsere Musical-Anspielungen nicht sehr witzig.


7. Natürlich einige Touridinge in New York besucht, die ich nicht alle einzeln aufzählen werde. Ein Highlight war aber das Velofahren auf der Park Avenue, das fühlt man sich plötzlich sehr ehrfürchtig. Die riesengrossen Häuser um einen herum lassen einen sehr winzig fühlen und gleichzeitig riesengross. Kurz gesagt: Es ist geil.


8. Wir waren in einer Aufzeichnung einer Late Night Show mit Seth Meyers. Um ein Haar (also 4 stand by Plätze) wäre ich bei Jimmy Fallon hereingekommen. Aber Seth Meyers ist eh cooler. Es hat Spass gemacht.


9. In Indianapolis habe ich mir zum ersten Mal eine Maniküre machen lassen. Dabei bekam ich von Ruth Komplimente für meine Zähne.


10. Eine Stadt gefunden, die langweiliger ist, als meine Heimatstadt Liestal: Indianapolis. Vom metropolitanischen New York in diese Stadt zu gelangen, war ein ziemlicher Schok. Die Stadt hat 800'000 Einwohner, aber an einem Dienstagvormittag wirkt das Zentrum wie eine Geisterstadt. Einzig Obdachlose sind auf den Strassen. Die Anzahl von Obdachlosen ist wirklich beängstigend, man spürt dabei auch das Rassismusproblem dieses Landes. Allgemein findet hier nicht so viel draussen statt, denn ich war auch...


11. ... zum ersten mal in einem Arcade. Ich hatte selten so eine absurde Erfahrung. Du musst dir das so vorstellen: Es hat draussen milde 25 Grad, etwas zu feucht, aber die Sonne steht tief, was die Stimmung schön macht. Alles was ich in dem Moment möchte, ist, draussen zu sitzen und in an cuten Tischchen einen Aperol Spritz mit Eis trinken. Noch ein schönes Kleidchen anziehen oder so. But not in the USA. Wir fuhren nach dem Essen mit unseren Autos zu der Arcade, wo ich in einem gefühlt auf Minus 50 Grad heruntergekülten und fensterlosen Raum fror und dabei Logan Paul auf einem Bildschrim beim Wrestlen zusehen musste. Ich konnte keinen Drink bestellen, weil ich meine ID vergessen hatte (Hier muss man sogar noch mit 50 die ID zeigen, no joke) Da spielten wir dann so Spiele an Automaten, was eigentlich noch lustig ist, aber auf einer Wiese wäre es auch lustig. Es hatte viele Frauen in klassischen Sommerkleidern und ich fragte mich ständig, wie sie sich nicht den Arsch abfrieren und musste einen dicken Pullower anziehen. Die Amis haben etwas falsch verstanden einfach. Aber nicht alles, denn am Tag danach habe ich...


12. ... aus echten red solo cups getrunken. An einem Bilderbuchtag, der auch als Werbespotkulisse dienen könnte: Am Tag vor der "Cabaret Night" (Das Event für welches wir gekommen sind) gab es einen familiy day im Haus von F.'s Freunds in-laws. Dieses Haus liegt direkt an einem See mit privatem Zugang. Natürlich bin ich für die Enteignung jeglichen Seeufers, aber wenn ich dann mal "in" statt "out" bin, kann ich meine Prinzipien für einen Tag vergessen. Hoppla. Aber der Tag war auch einfach so schön. Wir "Erwachsenen" spielten Fussball während die Kinder mit den Grosseltern im Pool chillten und die Urgrosseltern im Schatten Glace schlemmten. Es hatte eine Hüpfburg, in der ich ein "Jousting"-Tournier organisierte. Dabei geht es darum, eine Person mit Gummistäben von einer kleinen Erhöhung auf der Hüpfburg herunterzustossen. Das ist mega fun, wir müssen auch mal eine Hüpfburg mit "Jousting" organisieren. Es gab nidrogen ice cream (Geschmäcker Butter Cream, Cheesecake oder Lemon, Toppings: Gummibärchen, Cookie dough, Brownie, Mint-Choclate). Eine Mutter redete davon, welche Nischensportarten ihre Kinder machen könnten, um die Chancen für ein College-Scholarship zu erhöhen (Die Jungs ins gymnastic oder cheerleading und die Mädchen ins Wasserpolo). Komische Instrumente Standen auch zur Debatte (backpipes). Und jetzt kommt das amerikanischste: Am Abend bin ich zum Sonnenuntergang Jet-Ski fahren gegangen. Quite epic oder? (das ist eigentlich der Punkt)


13. Mich wie in einem Musical gefühlt. Es ist ziemlich lustig, aber ich habe gemerkt, wenn ich fast ausschliesslich (amerikanisches) Englisch spreche, kommen mir ständig Lieder in den Sinn. Das wurde dann irgendwann zum Witz, dass wir bei jeder Phrase ein Lied anstimmten.


14. Sehr viele Pride Flaggen gesehen, aber auch viele Ami-Flaggen. Das sind hier die zwei Möglichkeiten. Um zu zeigen, dass du nicht rechts wählst, brauchst du eine Pride Flagge. Es stimmt, was alle sagen: Dieses Land ist gespalten. Sie könnnen aber auch gut provozieren: Eine Werbung für die Demokraten war "Left or Reich". Recht haben sei.


15. der gleichen Stadt sein wie Queen Kamala. Sie war in Indianapolis als wir auch dort waren, aber leider bei einer internen Veranstaltung.


16. Ich habe Glühwürmchen gesehen. sooo schön.


17. Da hier alles so krass von der Popkultur oder story telling geprägt ist, dachte ich an einem gewissen Moment selbst, ich wäre eine Romanfigur und begann demnach zu handeln. Nicht so gute Idee.


18. Wir waren Topgolf spielen. (Es ist nicht wie richtiges Golf, da man einfach von einem Ort aus abschlägt, aber ich habe auch noch nie echtes Golf gespielt)


19. Gemerkt, dass alle Klischees über die USA stimmen. Sie sind stolz auf ihre Fast Food Ketten, Autos, Fliegen 40 Minuten, statt 6h Auto zu fahren, trinken nur aus Platikbecher mit Röhrchen, tragen Waffen auf sich (nicht alle). Und es stimmt, dass New York nicht wie der Rest ist. New York hat schon mein Herz erobert, ich würde gene mal eine gewisse Zeit dort wohnen, da die der Stellenwert der Unerhaltungsindustrie einfach so hoch ist und man merkt, dass Dinge, die dort passieren auf dei ganze (westliche) Welt abstrahlen.


20. Vermisst, zu lüften. Ich verstehe jetzt alle "Lüften" memes auf social media, aber ich finde es gut, dass Lüften ein Grundpfeiler unserer europäischen Kultur ist. Go Lüften.



Hier noch zu den Kategorien:


Etwas zum Essen: Plain Bagel mit Cream cheese von Starbucks. Oder einfach Nicht-Ami-Essen.


Etwas zum Glotzen: National Anthem. Wir haben den im Kino geschaut und ich muss dir gestehen, dass ich während der Nationalhymne geweint habe. (Es ist aber nicht so, wie du denkst.)


Etwas zum Hören: "Modern Love" von Zaho de Sagazan. Es ist ein Lied von David Bowie, aber sie hat dies vor zwei Monaten an der Eröffnungszeremonie der Festpiele in Cannes performt als Hommage an Greta Gerwig, welche dazu tanzt im Film "Frances Ha". Zufällig habe ich es im Hotel in New York entdeckt und bin seither Fan. Ich tanzte danach wie Frances in New York durch die Strassen.


Etwas zum Lesen: "Turtles all the way down" von John Green, das ich gekauft habe, weil es in Indianapolis spielt. Es geht um Angsttörungen und Gedankenspiralen und ist wirklich sehr berührend geschrieben. Ausserdem war ich auf dem White River, der auch eine wichtige Rolle spielt, tuben. (Das heisst, wir sind mit so Wasserrutschbahnringen mit etwa 5km/h den Fluss hinuntergetrieben.)


Okay, vielleicht konnte ich dir einen kleinen Einblick geben, es war mir wichtig keine Woche auszulassen auch wenn ich sehr viele Anläufe für diesen Brief brauchte (und mega spät bin) Ich wollte persönlicher, analytischer, politischer, spannender, poetischer sein und konnte mich dann für keine Richtung richtig entscheiden. Das Event am letzten Abend in Indianapolis war eine Art Hochzeitsfeier als Performanceabend geframet. Davon habe ich jetzt gar nicht erzählt, aber es war sehr berührend und intensiv. Ich bin immer noch am verabeiten.


Lass es dir gutgehen. Ich vermisse dich, hoffe, dass dein letztes Sommerlager gehalten hat, was du dir davon versprochen hast. (Dies ist mein erster Sommer seit 13 Jahren ohne Pfadi-Sommerlager und ich muss sagen, dass es guttut, anderes zu tun, auch wenn wir hier auch ein bisschen Lagerstimmung hatten) Aber ich hoffe, du konntest es in vollen Zügen geniessen und freue mich alle lustigen Geschichten und selbst zu erzählen.


Alles Liebe


Vera




 
 
 

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