Liebe Michelle
- Vera Rieger
- 20. März
- 5 Min. Lesezeit
Mittwoch, 19.3, 13:53
Ich muss endlich anfangen. In 7 Minuten habe ich Bass - & Gitarrenunterricht, also eigentlich Bandmodul, aber bin allein mit dem Dozenten. Ich muss endlich anfangen mit Schreiben. Obwohl ich den Inhalt dieses Briefs schon so lange im Kopf hatte, habe ich wieder hinausgeschoben des Todes. Oder vielleicht deswegen. Draussen scheint die Sonne, vorher lag ich vor dem FHNW-Klotz und bin während dem Hören eines italienischen True Crime Podcasts eingedöst. Das ist mein neues Ding: ich höre jetzt italienische True Crime Podcasts (also nur einen: Elisa True Crime). Vielleicht, weil ich auch gerne Italien wäre, so wie L., oder damit ich alle wichtigen Wörter kenne, falls sie ihn Sizilien in Schwierigkeiten kommt. Heute habe ich Drogendealerund Souterrain gelernt. Better be ready.
Ich will dir von meiner irrationalen Social Media Anxiety erzählen. Vielleicht ist es problematisch dieses Wort zu benutzen, aber seit Social Media haben Wörter aus der Psychodiagnostik sowieso ihre Objektivität verloren, deswegen egal. Zumindest stresst es mich immer übelst, wenn ich irgendetwas auf Insta posten will, so irrational fest. Und vor etwas mehr als einer Woche habe ich so ein dummes Reel hochgeladen, wo ich im Schnee herumspringe, um auf Slam Poetry Termine aufmerksam zu machen. Das Reel war sehr random ehrlichgesagt, ich wollte einfach so Material verwerten, dass ich for fun mit F. mal aufgenommen habe für etwas anderes eigentlich. Und nachdem ich es zuerst Tage vor mich hingeschoben habe, habe ich es dann gemacht und es ist so dumm, aber danach hatte ich fast panische Zustände. Es liegt daran, dass ich nicht weiss, wie ich mich im Internet darrstellen soll. Es interessiert nicht viele Leute, ich nehme mich viel zu wichtig, dass weiss ich. Aber auch noch am nächsten Morgen bin ich um 5 Uhr morgens aufgewacht. Wir hatten an dem Tag einen Rugbymatch und im Zug war ich immer noch übelst gestresst, fühlte mich wie in einen Rahmen gesperrt, aus dem ich nicht hinauskomme, teils in Zustände von letztem Winter zurückgesetzt. Es hat dann richtig geholfen, dass ich nervös war für den Match, es war ein sehr harter Match, dazu nachher mehr, aber danach ging es mir psychisch viel besser. Ich glaube, dass ich zum Teil Extremzustände brauche, um aus meinem Kopf zu kommen.
Ich habe einen Slam Text zu dem Thema (es begleitet mich schon immer) und zitiere mich jetzt mit einem neuen Teil, den ich danach geschrieben habe, selbst:
„Ich weiss um das enorme Potenzial dieser Platform als kreativen Schaffungsraum und als Austausch. Versuche zu pragmatisieren und gesund zu konsumieren. Und auch zu produzieren, denn das muss ich ja, will wer sein, will wer werden, bin ambitioniert, will schreiben und zeigen, da muss ich mich all dem neigen. Habe das Gefühl, dass ich ohne soziale Medien niemand bin, was auch stimmt, und weiss aber nicht, wie ich zeigen kann, dass ich lustig, klug, politisch, edgy und hot bin und gleichzeitig, dass ich das alles auch nicht bin wegen Authentizität. Und dann auch noch, dass ich cool bin und mir das alles EGAL ist.
Überlege 2 Tage lang, welche Bilder ich auf dem scheiss Jahresrückblick von 2024 posten soll, hasse sie dann trotzdem. Wache um 5 Uhr morgens auf, nachdem ich ein Video poste, weil ich zu glücklich aussehe und ich aber gar nicht glücklich bin, sondern f*cking gestresst und deswegen UNGLÜCKLICH, und es drumm voll unauthentisch ist, jetzt könnten Leute denken, dass ich glücklich bin, oder sie denken, dass ich will, dass sie denken, dass ich glücklich bin und denken deswegen, dass ich fake bin. Aber eigentlich denkt eh niemand irgendwas, denn alle sind schon 13 Videos weitergescrollt.“
Ich glaube, es ist nicht mehr möglich, ohne die Plattformen zu leben, wenn man irgendwas Kreatives machen und weiterentwickeln will und wir wissen ja auch, dass mehr als doppelt so viele Leute unsere Briefe lesen, wenn wir Instastories machen. Die stressen mich tatsächlich nicht mehr so doll. Ich habe einfach überhaupt kein graphisches Händchen, das nervt mich.
Am besagten Rugbymatch holte ich mir eine leichte Gehirnerschütterung, weswegen die folgende Woche sehr ruhig verlief: Viel Schlaf und von Montag bis Mittwoch immer wieder in die Stadt geschlendert, um doch noch was vom Fasnachtszustand mitzukriegen, Orangen fangen und Gässle. Glücklicherweise hatte ich auch Ferien. Freue mich jetzt schon auf die Fasnacht nächstes Jahr, wenn ich hoffentlich keine Gehirnerschütterung haben werde. Ich lief also die ganze Woche auf Sparflamme. Trotzdem war ich viel am Schreiben für die Moderation, welche ich letzten Sonntag übernahm (diesen Job hatte ich auch dank Insta gekriegt…). Sie lief ganz in Ordnung, glaube ich.
Am Montag ging es dann wieder los mit Schule und PH, so kam ich schnell aus dem Sparflammenmodus heraus, was gutgetan hat. Das Rumsitzen schlägt auch auf die Psyche. Es geht dem Kopf auch wieder besser, juhuui. Ich muss sagen, dass ich mich tatsächlich gefreut hatte, die Klasse wieder zu sehen. Heute war wieder die erste Stunde mit allen, auch denen, die vor den Ferien noch im time out waren. Sind alles Schlitzohren, aber bis jetzt glaub eine freche Art, die ich handeln kann, aber mal schauen. Ich muss anfangen, etwas darauf zu schauen, was ich hier teile. You never know.
17:35
Gerade sitz ich im Zug nach Zug. Heute habe ich schon den zweiten Slam Auftritt diese Woche. Gestern war ich in Wädenswil im Theater Ticino, ein sehr sympathisches Kleintheater und es war einfach voll! Das Beste aber war das Abendessen: 3-gängig im Restaurant, Salat als Vorspeise, vorzügliches Rahmstroganof mit Kartoffelstock und Brokkoli als Hauptgang und zum Dessert eine Passionsfrucht- Mangocreme. Ein herzlicher Empfang mit feinem Essen ist einfach ein Gamechanger bei solchen kleinen Auftritten, es macht so viel aus. Ende des Abends hatte ich die Freude, noch einen Whisky mit nach Hause nehmen zu dürfen :)
Ich denke momentan viel über Comedy nach, zum Teil auch ziemlich technisch. Der Ausschnitt oben ist nicht sehr repräsentativ für mein Bühnenzeugs. Ich beginne schon immer mehr die Pointen zu jagen. Witze auf einer Bühne haben nicht viel mit alltäglicher Komik zu tun. Ich nerde mich da gerade etwas rein, aber irgendwie ist dann doch alles so random und publikumabhängig.
Sorry, so viel geyappt, ich bin so müde, nun zu den Kategorien:
Etwas zum Hören: Felicità von Al Bano & Romina Power, hittet, wenn es hitten muss.
Etwas zum Lesen: Ich wollte es eigentlich schon in der Buchhandlung holen, schäme mich, dass ich noch nicht getan habe, aber natürlich das Bilderbuch «Zuhause auf der Klippe» von Magali Franov. Weil ich weiss, dass es sowieso ein Meisterwerk ist. Ich freue mich, dieses Buch bald in den Händen zu halten und auch auf ihre Vernissage. Happy Release nachträglich!!
Etwas zum Glotzen: Wir haben neu Salt-TV, das heisst, wir können endlich richtig fernsehen. Von den verschiedenen Dingen, die ich mir reingezogen habe, empfehle ich «1 gegen 100» (allgemein) oder die «Wer stiehlt mir die Show» Folge von Teddy.
Etwas zum Essen: selbstgepresster Orangensaft. Und Restaurantempfehlung: Die öffentliche Theaterbeiz des Theater Ticino in Wädenswil.
Wort der Woche: Gemütserschütterung
Alles Liebe
Vera
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