Liebe Michelle
- Vera Rieger
- 14. Jan. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Freitag, 12.01.24
Frohes Neues Jahr, ich meine natürlich „Guets Neus“. Als hätten wir uns noch nicht gesehen im neuen Jahr, haha, aber ich wünsche auch allen, die das hier lesen, ein schönes neues Jahr.
Nun ist das neue Jahr aber gar nicht mehr so jung. Die Realisation, dass die Lasten des alten Jahres mitrübergerutscht sind, ist schon geschehen. Diese Schlaumeier, ergattern sich immer das letzte Plätzchen auf dem Schlitten. Der Himmel um vier Uhr Nachmittags lässt aber die Hoffnung zu, dass die Tage wieder länger werden, die ersten Waggis hängen als Dekoration in den Strassen und im Supermarkt gibt es „Faschtewäie“. Die eisige Kälte taucht die Stadt heute in richtiges Januarlicht. Das mag ich. Diese banalen Dinge halte ich hier fest, da ich finde, dass unser Blog als Zeitzeuge des Jahreszyklus dient. Irgendwie schön.
Danke für deine Buchtipps, gerade Percy Jackson würde ich sehr gerne lesen, aber auch „Nimm die Alpen weg“ interessiert mich. Es hat mich sehr gefreut, dass du gerade sehr bei deinen Figuren bist (besonders auch für deinen Vorsatz, dein Buch fertig zu schreiben). Deswegen hier mein Statement: Gib ihnen deine ganze Aufmerksamkeit und Inspiration, ich nehme den Rest. Vielleicht magst du ja auch mal etwas teilen, so eine klitzekleines bisschen Etwas? No pressure.
Deine harmlosen Vorsätze fürs neue Jahr liessen mich natürlich verwundert zurück, was denn die nicht-harmlosen Vorsätze sind. (Ich hoffe, schwanger werden, das wäre süss und ist das einzige, was mir als nicht-harmloser Vorsatz in den Sinn kommt) Ich möchte dir eine vollständige Liste teilen, mit sehr konkreten Dingen (die ich sowieso tun werde) und sehr abstrakten. Erst will ich aber auf deine Fragen eingehen. Die Wucht, mit der du dich in Themen hineinstürzen kannst, kenne ich nur bedingt. Ich beneide sie aber, besonders für Musik, Serien, etc. Anfang letzten Jahres hatte ich ein Wanderhype, wo ich ganz viele Dinge über Wandern gelesen und geschaut habe. Deswegen war ein Vorsatz auch im Sommer 200km zu wandern. Habe ich leider nicht gemacht. Von dieser kleinen Liste mit Vorsätzen letztes Jahr (der eine war „Endlich mal zu wissen, was ich im Leben eigentlich machen wollte“, den habe ich jetzt einfach für dieses Jahr übernommen) ist der einzige, den ich wirklich umgesetzt habe, „schreiben und etwas damit machen“. Dank dir! Dankeschön dafür!
Was das hereinstürzen oder die Leidenschaft angeht, habe ich letztens einen Teil geschrieben, den ich dir nie geschickt habe. Ich glaube hier passt es, es geht eigentlich wieder um Hobby. Ich werde es teilen. (Eigentlich wollte ich endlich mal einen kurz und knackigen Brief, aber ich bin keine kurz und knackig Person)
Ich habe deine Antwort noch nicht erhalten, beginne aber trotzdem schon wieder mit dem Schreiben, da ich heute morgen einigen meiner Gedanken noch nachgehangen habe. Dem mit dem Hobby. Auf Insta scrollend sah ich plötzlich ein Video unseres Bekannten, der fanatischer free skier ist. Die Saison scheint wieder begonnen zu haben. Schlagartig spürte ich Neid. Ich wurde neidisch, dass er eine solche Leidenschaft hat. Bei einer seiner Freundinnen stand unter dem zweitletzten Post „missing winter so damn much“. Auch dieses Gefühl klingt für mich erstrebenswert. Ich fahre auch Ski und kann das Wohlgefühl nachempfinden, welches sich einstellt, wenn der Schnee unter den Brettern knirscht, der Wind in den Ohren singt und es nach Winter riecht. Das Gefühl, wenn man die Skibrille abnimmt und plötzlich die ganze Umgebung blau ist. Doch bei mir reicht das nicht aus, dass ich die ganze Zeit Skifahren möchte, ein paar Tage im Jahr - wenn überhaupt - genügen mir. Zu gross ist der Aufwand. Aber es geht hier eigentlich auch gar nicht ums Skifahren. Die Wahrheit ist - ich habe keine Passion, nichts dass ich immer machen möchte, die ganze Zeit, nichts, nachdem ich ein wahres craving habe. Ich würde gerne wieder mal Windsurfen, auf Hochtour gehen, ich würde gerne mal surfen, kitesurfen, gerne mal Salsa tanzen, Segeln gehen, gerne Akrobatik ausüben, gerne wieder mal Langlaufen, gerne wieder mal Capoeira machen, gerne Inlineskaten, gerne in einer Laufgruppe sein, gerne Theater spielen, gerne eine neue Sprache lernen, gerne Reisen gehen, gerne Pilzkennerin werden, gerne mehr kochen, gerne stricken, gerne nähen, gerne Basler Piccollo lernen. Aber all das möchte ich nicht genug, als dass es sich nicht herausschieben liesse. Eine ich-würde-gerne-mal-Person zu sein ist etwas traurig. Denn wie du es gesagt hast: das schönste ist, sich auf etwas zu freuen. Vermissen ist die wahre Freude. Würdest du sagen, dass Bücher, Schreiben und Lesen deine Leidenschaft sind? Geht das überhaupt, da es gleichzeitig dein Beruf ist? Oder ist stricken deine Herzensangelegenheit? Oder Handball? Wünschst du dir manchmal auch, so ein Hobby zu haben, dass du immer ausführen möchtest, nachdem du so richtig verrückt bist? Es nimmt mich wunder, was du darüber denkst.
Bevor meine Liste kommt, will ich doch noch etwas über Theater schreiben. Momentan hospitiere ich in der „Dreigroschenoper“ am Theater Basel. Heute Abend ist Generalprobe und morgen Premiere. Abgesehen davon, dass ich der unwichtigste Teil der ganzen Maschinerie bin, ist so eine Endprobenphase schon ziemlich intensiv. Der Regieassistent ist täglich von etwas 10:00 bis 12:00 Nachts am Theater, nach der Probe am Abend trifft man sich immer noch auf ein Bier. Die Gemeinschaft, die dabei entsteht, ist sehr schön. Leider bin ich wie gesagt nicht wirklich Teil davon, da ich keine klare Aufgabe habe und es auch einfach irgendwie nicht schaffe. (Es gibt Gruppen, da integriere ich mich ohne Weiteres von alleine und manchmal einfach gar nicht, da habe ich ultra Sozialphobie, kennst du das?) Ich habe aber (allgemein am Theater) das komische Dasitzen professionalisiert. Komisch Dasitzen ist echt ein Skill. Es braucht viel Konzentration, um nicht wegzugehen. Es geht darum, seine eigene Präsenz auszuhalten. Die Blicke der anderen, die sich fragen, warum du da bist, auszublenden. Platz einnehmen, wo eigentlich Luft wäre. Das trifft es am besten. Mit der Zeit wird es nicht weniger komisch, es bleibt anstrengend. Darin bin ich jetzt Profi.
Zurück zum Stück, du solltest es dir ansehen, es ist lustig, die Freude am Spiel ist gross und es spielen unbestritten einige der besten Schauspieler:innen im deutschsprachigen Raum. Das macht es sehenswert, auch wenn es ein Abgewichse auf Brecht ist, was etwas nervt. Dass Elisabeth Hauptmann grosse Teile des Textes geschrieben hat, könnte man auch mal hervorheben. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass ich mir Plots nicht merken kann. Das Stück habe ich nun insgesamt etwa 10 Mal gesehen und brauchte auch so viele Male, um es vollständig zu verstehen.
Nun zu meiner Liste mit 24 Vorsätzen:
0. weniger Insta (nachträglich eingefügt)
1. mehr träumen (das in der Nacht)
2. Surfen
3. Beweglicher werden (jedes Jahr drauf)
4. Mehr Leute zu uns nach Hause einladen
5. weniger Nägel kauen (nur weniger, diese schlechte Angewohnheit werde ich nie komplett ablegen können, das ist mein Rauchen (ausser, dass ich es schon seit ich 6 bin mache), ich habe übrigens kürzlich herausgefunden, dass es einen Ausdruck dafür gibt und zwar Onychophagie, zack was gelernt.)
6. Mehr machen, weniger denken
7. Etwas pflanzen
8. wieder was mit Kindern arbeiten/machen (Du hast ja auch davon geschrieben, wie ihr mit eurer Cousine gechillt habt an Weihnachten. Ich vermisse Kinder sehr, sie sind eifach besser als Erwachsene, Kinder mögen mich einfach so, das ist schön)
9. Mehr Musik hören (eigentlich ist der Vorsatz: meine Kopfhörer nicht immer verlieren)
10. Wieder Gesangsstunden nehmen
11. Klavier spielen
12. Meinen ersten grossen Fussballmatch besuchen (Ich war wirklich noch nie an einem Fussballmatsch, peinlich)
13. Stylischer werden, mehr Acht legen auf meine Erscheinung (ist bei mir saisonbedingt)
14. Diesen Blog durchziehen.
15. An eine Hochzeit in den USA gehen.
16. Ich schliesse mich deinem Kraulvorsatz an, gehen wir zusammen kraulen? Finde es mega scheisse, dass es in Basel keine anständigen Hallenbäder gibt, das ist in Zürich ultra viel besser)
17. An einem Lauf teilnehmen.
18. Konzert geben.
19. Mehr geben, weniger nehmen
20. Eine Nacht durchtanzen
21. Halluzinogene Drogen nehmen. (Pilze)
22. Mehr trinken, also Wasser. (Jedes Jahr drauf)
23. Weniger Geld ausgeben für dumme Sachen (Mahnungen, verlorene Dinge etc., ich musste 700 Franken zahlen für ein neues Schloss in meiner alten WG, da ich den Schlüssel verloren hatte...)
24. Achtsamer, aufmerksamer und aktiver Zeit mit F. verbringen.
Jetzt fallen mir gerade noch viel mehr Dinge ein, es gibt doch einige Sachen, auf die ich mich im 24 freue, komischerweise sind doch noch einige noch mit der Pfadi verbunden. Ich freue mich auf die Vernissage des Buches, wo ich etwas schreiben durfte und ich freue mich auch auf das 100 Jahr Jubiläums-Fest, auch wenn es vielleicht ein nostalgischer Event wird. Aber ich mag es, Dinge ernst zu nehmen und gross zu machen. Sonst bliebt alles so flach. Ich freue mich, mit euch Girls ein sleep over zu machen mit kitschigen Filmen.
In diesem Sinne, ich muss zur Generalprobe. Heute werde ich danach auch Bier trinken, dann bin ich mehr als nur da. Sondern da und betrunken.
Alles Liebe
Deine Vera
PS: Über eine geheime Quelle habe ich heute schon erfahren (obwohl es noch nicht raus darf), wer für die Schweiz an den ESC gehen wird und zwar niemand. (Das ist ein hint ;))
PS2: Letztes Wochenende war ich in Avignon, war sehr schön. Ich erinnere mich, dir einmal geschrieben zu haben: „Letztes Wochenende war in Dijon, vielleicht erzähle ich noch davon“ und frag mich gerade, wieso ich nie über meine Frankreich-Freundinnen-Wochenenden erzähle. Vielleicht gehören sie mir. Vielleicht müsste es auf französisch sein.
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