Liebe Vera
- Michelle Harnisch
- 23. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
So, da bin ich wieder. Frisch ins Semester gestartet und wie gehabt mit einer leichten bis mittleren Lebenskrise. Vielleicht habe ich mir darum heute spontan die Haare geschnitten. Selbst vor dem Spiegel. Zu kurz wie immer. Instant regret. Aber meine Haare wachsen zum Glück immer schnell nach, obwohl ich Locken habe, und es ist die gleiche Frisur, die ich immer habe, darum auch nur halb so schlimm.
Meinst du das legt sich irgendwann? Dass man das Gefühl hat, alle Probleme liessen sich mit einem neuen Haarschnitt lösen? Obwohl man ja weiss, dass dieser Weg zu easy wäre, als dass er jemals wirklich funktionieren würde. Gerade beschäftigt mich nämlich alles nämlich wieder einen Ticken zu doll. Ich lebe momentan etwas zu sehr in meinem Kopf und finde nicht immer heraus, was alles irgendwie ein bisschen erschwert. Die Gedanken drehen sich im Kreis und drängen mich manchmal etwas in eine Ecke. Ich glaube du kennst das, aber manchmal hat man Phasen, da holt einen alles wieder ein. Letzte Woche kam zum Beispiel eine Mahnung von der Steuerverwaltung, weil ich meine Steuererklärung noch nicht abgegeben habe. Wie kann man sein Leben so wenig im Griff haben? Solche Briefe und Mahnungen häufen sich gerade wieder und es war etwas zu viel, mit Dingen so hinterher zu hinken, und dann auch noch ins neue Semester zu starten. Auch mit den letztens erwähnten Seminararbeiten. Irgendwie wird gerade alles nur mehr und ich komme nicht nach.
An meinem ersten Unitag habe ich dann ausserdem realisiert, dass alle meine Homies gar nicht mehr an der Uni sind. Eine ist fertig, du bist an der PH, meine Mitbewohnerin macht ein Urlaubssemester wegen ihres Praktikums in einem Verlag. Wir können zwar immer noch zusammen Mittag machen, aber allein in einer Vorlesung zu sitzen, in der ich keine*n kenne, habe ich wirklich nicht vermisst. Hatte ich nicht so auf dem Schirm, wie allein ich sein würde. Natürlich habe ich in meinen Seminaren ein paar bekannte Gesichter, bei denen ich mich auch freute, sie wieder zu sehen. Aber halt alles Leute, mit denen es noch nicht so ungezwungen und einfach ist. Letzte Woche hatte ich einfach nicht die Energie für sowas, und es erschien mir noch anstrengender als sonst. Du weisst, dass ich nicht so gut bin mit Leuten, bevor es behaglich wird mit ihnen. Ich hinterfrage dann jeden Satz, den ich sage, jede Bewegung scheint mir ungelenk und unbeholfen. Ich steigere mich logischerweise dann noch mehr in dieses Unbehagen hinein und drehe mich im Kreis. Darum bin ich froh, habe ich euch doch einige Male getroffen letzte Woche. Das hat geholfen.
Die Uni generell holt mich noch nicht so ab, wie sie es letztes Semester getan hat. Im Februar war das natürlich alles wieder neu, ich war aufgeregt, habe mich gefreut, wieder in diesen Uni-Kontext, in meine Fächer abtauchen zu können. Aber gerade fühlt es sich einfach so an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Als ich letzten Dienstag nach der Vorlesung ins Tapas-Restaurant geeilt bin, um meine Schicht zu arbeiten, hätte ich weinen können. Bereits im Bachelor habe ich dort gearbeitet, habe es gehasst, nach der Uni dorthin gehen zu müssen, Leute bedienen zu müssen, Leuten in die Fresse lächeln zu müssen, obwohl ich noch vier Theorietexte hätte lesen müssen an diesen Abenden. Ich merkte einfach, wie schade es ist, dass ich jetzt wieder an Orten arbeite, an denen ich eben einfach arbeite. Wo ich nicht gerne hingehe, wofür ich nicht brenne. Letztes Jahr arbeitete ich ein Jahr lang in wunderbaren Verlagen und obwohl ich jeden Tag auf Zürich pendelte und das auch ein Abfuck war, freute ich mich jeden Tag aufs Büro. Wer kann das schon von sich behaupten? Und jetzt fühle ich mich wieder weiter weg von meinem Karrierewunsch als eben letztes Jahr. Diese Gefühle sind natürlich auch verstärkt, weil meine Mitbewohnerin eben gerade in einem Verlag «praktikümlet» und immer wieder davon erzählt. Ich vermisse die Bücherwelt eben schon. Mittlerweile stresst es mich auch immer mehr, dass mein Berufswunsch vielleicht zu nischig ist, und ich weiss, dass es wohl noch eine ganze Weile gehen wird, bis ich eine Festanstellung irgendwo finde. Ach ach, diese Berufswelt ist doch ganz schön kompliziert. Jedenfalls weiss ich, dass ich gerade viel lieber arbeiten würde als studieren, was irgendwie schade ist. Denn ich weiss, was für ein Privileg es ist, zu studieren und wie interessiert ich eigentlich bin. Da ist es halt irgendwie scheisse, wenn die Freude am Fach so in den Hintergrund rückt. Ich hoffe, das vergeht alles wieder, und es ist nur die Semesterstartspanik, die da aus mir spricht. Wir werden sehen.
Ansonsten war die Woche nicht so spektakulär, das Wochenende hat aber rausgeholt. Am Samstag war ich als Spielerfrau am Triathlon in Basel und fante S. während des Rennens zu. Am Nachmittag fuhren wir nach Frick, um uns den Handballmatch des anderen Teams anzusehen, was schön war. Gefolgt von Iced Matcha Latte (ganz ohne Pilates) auf der Dachterrasse einer Freundin. Mit Leuten, die gleich laut lachen, wie ich selbst, wo man auch mal (immer) schreien kann. Dann abendliche/nächtliche Gespräche auf meinem Bett mit dir über Rugby und Handball und MacBooks, was mir auch sehr gutgetan hat. Am Sonntag Flohmi und Familienznacht bei S. Auch sehr schön. Ich versuche, den Fokus auf diese Momente zu setzen. Immerhin ein gutes Wochenende für eine nicht so gute Woche.
Ich lasse dir die Kategorien und denke sogar an die neuste, die wir beide schon wieder über den Haufen geworfen haben.
Etwas zum Essen: Für L. und ihren Aufwand - ihren Matcha, obwohl ich ihn nur 5.5/10 gerankt habe. Vielleicht ist es wie beim Wein oder Kaffee. Man muss sich daran gewöhnen?
Etwas zum Lesen: Ich bin über den Algorithmus aber vor allem über Empfehlungen aus dem echten Leben in einem BookTok-Loch gelandet und habe mich der ACOTAR Reihe angenommen. Weil ich das erste Buch aber nicht mit gutem Gewissen empfehlen kann, empfehle ich das zweite. Ich bin erst in der Mitte, habe diese ersten 350 Seiten aber in einem Tag gelesen. Ich bin hooked. Darum A Court of Mist and Fury von Sarah J. Maas. Ich kämpfe zwar konstant mit dem Cringe, aber ich bin mittlerweile zu hype, als dass mich das noch vom Lesen abhält.
Etwas zum Glotzen: Dieses TikTok Video - https://vm.tiktok.com/ZGeofQ63k/ Ich liebe Boomer auf TikTok.
Etwas zum Hören: «The Other Side» von Michael Marcagi
Wort: Kurzatmigkeit
Ich hoffe, du startest gut in die neue Woche. Und ich freue mich übrigens trotz S. auf deine PH-Geschichten. Immerhin bist du im Praktikum, wo ich zur Schule gegangen bin. Vielleicht gibt es ja noch spannenden Lehrer*innengossip ;) Heb der Sorg! <3
Alles Liebe
Misch
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